Autor: Stefan Loeffler

  • Das Ende als Anfang

    Als der Weg zu Ende war, lief Norbert Unterharnscheidt unbeirrt weiter. Denn der Inhaber und Gesellschafter der e.systeme21 GmbH hatte ein klares Ziel vor Augen. Bei der Gründung seines Unternehmens im Jahr 2013 setzte er auf Photovoltaik, als der Hype über die Dach-Solarmodule als gewinnbringende Investition gerade wie eine große Seifenblase zerplatzte.

    „Als vor über zehn Jahren die Subventionen gestrichen wurden, waren PV-Systeme als reine Geldanlagen praktisch tot“, so der 65-Jährige, der allen Unkenrufen zum Trotz auf diese Technologie baute: „Ich war zutiefst davon überzeugt, dass diese Anlagen eine große Zukunft haben. Aber eben nur dann, wenn man sie dazu nutzt, um den eigenen Energieverbrauch dezentral zu decken – und eben nicht zur Einspeisung in die Stromnetze.“

    Energieautarkes Gebäude
    Aus diesem unerschütterlichen Glauben wurde ein großer Erfolg – auch wenn die ersten Jahre dieser Pionierarbeit mitunter schwer waren. Denn heute kann sich das Unternehmen mit der individuellen Planung und Installation von Photovoltaikanlagen über lukrative Projekte mit Privat- und Gewerbekunden freuen. Und gerne übernimmt das über 20-köpfige Team eine Vorreiterrolle. Denn nach einer umfangreichen energetischen Sanierung und Modernisierung ist die eigene Gewerbeimmobilie im Ulmer Donautal mithilfe von Photovoltaik, Wasserstoff und Batteriespeichern komplett energieautark und zu 100 Prozent CO2-frei – nach 18 Monaten Umbauzeit.
    Das Kernstück des Gebäudes in der Boschstraße 38 ist eine Elektrolyseanlage, mit der im Sommer aus überschüssigem Strom der Photovoltaikanlage Wasserstoff erzeugt und vor Ort in Flaschenbündeln gespeichert wird. Im Winter kann man ihn mittels einer Brennstoffzelle erneut zur Erzeugung von grünem Strom und Wärme nutzen.

    Vorbild für das Donautal
    „Die größte Herausforderung bestand darin, die veraltete Technik im Bestandsgebäude mithilfe eines maßgeschneiderten Energiekonzeptes durch neue, innovative Systeme zu ersetzen“, so der gelernte Kaufmann, der schon mehrere Führungsaufgaben in namhaften Unternehmen innehatte und seine Expertise nun auch in die Vorstandsarbeit des unw einfließen lässt. 
    „Mit unserem Pilotprojekt können wir zeigen, wie vollständige Energieautarkie in der Praxis funktioniert und dass sie sich rechnet“, so der Firmenchef, der ein Faible für das Handwerk hat. Das ursprünglich in Bellenberg beheimatete Familienunternehmen führt er gemeinsam mit seinem Sohn Jens und dem neu dazugekommenen Geschäftsführer Lars-René Schmidt.
    Mit ihrem innovativen „all electric“-Gebäude fungiert die e.systeme21 GmbH nun auch als Vorbild für viele weitere Betriebe im Donautal. Und das möchte sich im Jahr 2035 zum ersten klimaneutralen Industriegebiet in Deutschland aufschwingen. Bis dahin ist es sicherlich noch ein weiter Weg. Norbert Unterharnscheidt wird ihn unbeirrt weitergehen.

    Norbert Unterharnscheidt vor der Elektrolyseanlage, dem Herzstück seines energieautarken Gebäudes im Ulmer Donautal. Foto: Stefan Loeffler
  • Kleine Schritte

    Petra Schmitz leitet seit 25 Jahren das Büro der lokalen agenda und hat dabei gelernt: Auch durch kleine Schritte können wir große Ziel erreichen.
    Seit das Wort Nachhaltigkeit in aller Munde ist, suchen wir immer auch nach anderen Begriffen dafür, um dieses komplexe Bestreben besser zu umschreiben. Wir wäre es zum Beispiel mit Verantwortung, Beständigkeit, Umweltbewusstsein, Dauerhaftigkeit oder auch Achtsamkeit? Wir in Ulm haben für das Wort auf jeden Fall auch einen persönlichen Namen: Petra Schmitz. Die in Heidelberg geborene Physikerin und europäische Umweltschutzexpertin leitet seit 25 Jahren das Büro der lokalen agenda ulm. Besser: Sie ist das Büro, denn wer die 58-Jährige kennt, weiß, dass sie nicht nur eine Aufgabe erledigt, sondern diese schlicht lebt. Und das ist mit ein Grund, weshalb sich die Stadt und alle im Bereich Nachhaltigkeit Aktiven schon seit einem Vierteljahrhundert auf Petra Schmitz verlassen können. Zu einem ihrer ersten Vorhaben zählte das im Rahmen der EXPO 2000 auf dem Eselsberg errichtete Sonnenfeld. Für diese erste und größte Passivhaus-Siedlung Deutschlands koordinierte sie damals die Öffentlichkeitsarbeit.
    Zahlreiche Projekte hat sie seit dieser Zeit mit angestoßen und auf den Weg gebracht, darunter auch die Gründung der Donau-Energie BürgerEnergieGenossenschaft Region Ulm/Neu-Ulm eG und das Ulmer Reparaturcafé – um nur zwei von vielen zu nennen. Für Petra Schmitz führen viele auch kleinere Projekte und Aktivitäten zu einem großen Ganzen. Und dazu brauche es mitunter eben auch die gesetzliche Brechstange wie beim bundesweiten Tempolimit oder beim Gebäudeenergiegesetz. „Die Menschen gehen eher mit, wenn sie in einem kleineren Umfeld spüren, dass Veränderungen zwar anstrengend sein können, aber eben auch Chancen und Freude in einer Gemeinschaft bringen können. Nur so kann man erkennen, dass man selbst etwas bewirken kann“, so die zweifache Mutter.
    Akzeptanz ist wichtig. Man müsse die Menschen motivieren und für Umweltschutz begeistern: „Wir stehen vor einem großen Wandel, den wir nur gemeinsam hinbekommen.“ Doch sie ist sicher: „Das kann gut gelingen, weil wir in der Gemeinschaft schon viele tolle Dinge umgesetzt haben.“ Siehe oben. Und kleine Schrittchen mit großer Wirkung sind auch im privaten Bereich möglich. Auch hierfür steht Petra Schmitz, die mit ihrem Mann so oft wie möglich das Auto Auto sein lässt, in die Pedale tritt, saisonales Gemüse kauft und so gut wie kein Fleisch mehr isst: „Durch den gezielten Kauf von offenen Waren gelingt es uns, dass wir sehr wenig Lebensmittel wegwerfen müssen.“ Auch an die Frage, ob Umweltschutz nun nötig ist oder nicht, verschwendet sie keinen einzigen Gedanken. Für sie ist Nachhaltigkeit schlicht die logische Art zu leben. Petra Schmitz: „Da führt für uns alle kein Weg daran vorbei.“ Und dabei ist es auch völlig unerheblich, wie wir es nennen.

    Für Petra Schmitz gibt es nur eine logische Art zu leben: nachhaltig.
    Foto: Stefan Loeffler
  • Ein Tüftler geht auf Fehlersuche

    Der Saugroboter eckt nicht mehr an und auch der Radiowecker macht keinen Pieps mehr. Muss das denn jetzt sein? Auf jeden Fall ist es kein Grund alles in die Tonne zu treten. Stattdessen sollte man lieber Adrian Büsselmann um Rat fragen.
    Er sieht ganz genau da hin, wo andere nichts mehr sehen. Mit seinem großen Mikroskop in seiner kleinen Werkstatt geht Adrian Büsselmann auf Platinen bei winzig-kleinen Chips, Steckverbindungen und Lötstellen auf Fehlersuche. Eine Leidenschaft, die die Umwelt schont. Denn der Tüftler repariert für sein Leben gerne Radios, Stehlampen, Spielekonsolen, Staubsauger und eben auch Computer. Die Anfragen sind vielseitig. „Zu mir kamen auch schon Kunden mit defekten Mundduschen, Kühlboxen fürs Auto oder Autopiloten für Motorboote“, so der 41-Jährige, der im September in der Söflinger Kapellengasse 10 seinen Reparaturladen eröffnet hat. Der ist klein, aber fein und während der Öffnungszeiten immer gut besucht. „Ich sehe mich in erster Linie als erste Anlaufstelle für alle diejenige, die kaputte Geräte nicht sofort wegschmeißen möchten und Hilfe suchen.“
    Das Alter seiner Klientel ist zumeist 50 plus: „Ich würde mir wünschen, dass mehr junge Leute den Weg zu mir finden.“
    Weiß er einmal nicht, wie man ein Problem am besten anpacken kann, verweist er sehr gerne auf das Reparaturcafé in Böfingen: „Davon sollte es in Ulm viel mehr geben“, so der gelernte Bürokaufmann, der ganz ehrlich sagt: „Ich kann viel, darf aber nicht alles.“ Denn an Reparaturen an Elektrogeräten mit über 50 Volt Spannung darf er nicht ran, da er keine ausgebildete Elektrofachkraft ist.
    Schon mit 15 Jahren hat der Ulmer gelötet und gebastelt: „So konnte ich schon oft Dinge nutzen, die ich mir nicht leisten konnte.“ Sein erstes MacBook hat er auch kaputt gekauft – und wieder hinbekommen. Sein Ansatz war schon immer: „Ich möchte, dass die Menschen nicht alles sofort wegschmeißen, sondern erst einmal nachdenken.“ Und das kann sich durchaus rechnen, denn oftmals bekomme man defekte Bauteile schon für wenige Cents. Kann sein, muss aber eben auch nicht. Deshalb macht er Instandsetzungen nur, wenn sie zu hundert Prozent Erfolg versprechen. Adrian Büsselmann: „Geräte müssen ganz einfach gut funktionieren und nicht irgendwie.“ Von seinem neu eröffneten Geschäft kann man das auf jeden Fall schon jetzt behaupten.

    Der Reparaturladen von Adrian Büsselmann hat immer dienstags von 9 bis 12.30 Uhr, donnerstags von 14 bis 18.30 Uhr und an Samstagen von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Infos bekommt man unter
    www.der-reparaturladen.de

    Adrian Büsselmann hat im Roxy eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert. Neben gebrauchten Gegenständen zählen auch Kulturveranstaltungen zu seinen Leidenschaften.
    Foto: Stefan Loeffler
  • Es ist genug für alle da

    Max Wittlinger liebt die Abwechslung in der Natur. Und dies vor allem dort, wo auch der Begriff der Nachhaltigkeit einst seine Wurzeln geschlagen hat: Im Wald.
    Man kann sie riechen, umarmen, sich ihres Anblicks erfreuen und Kenner eines guten Tröpfchens können sie vielleicht sogar schmecken. Die Bäume des Ulmer Waldes werden nach dem Verkauf zu Brennholz, bilden die Grundlagen für Dachstühle und Parkettböden, bekommen als Möbelstück ein neues Leben, werden zu Stilen für Hammer und Äxte oder eben auch zu Papier verarbeitet. „So manches Eichenholz aus unserem Bestand wird auch zu Fässern für französischen Rotwein geformt“, erklärt Max Wittlinger auf einem gemeinsamen Spaziergang durch die Böfinger Halde.
    Hier im Wald hält sich der Leiter der Unteren Forst- und Landwirtschaftsbehörde trotz vollem Terminkalender und viel Scheibtischbürokratie eben immer noch am liebsten auf: „Das Zusammenspiel von jungen Pflanzen, starken Baumstämmen und sattem Grün ist einfach fantastisch. Und wenn im Frühjahr noch der Bärlauch wächst, sieht das an manchen Stellen aus, als ob man einen weißen Teppich ausgerollt hätte.“
    Keine Frage: Ein Bummel durch den Ulmer Stadtwald, ein vielschichtiges Ökosystem, tut allen Sinnen gut und dient durchaus der Erholung. Und das Schöne: Es ist genug für alle da. „78 Bäume kommen auf jeden Einwohner“, so der Oberforstrat der Stadt Ulm: „Insgesamt gibt es im Stadtkreis 2.800 Hektar Waldgebiete. 1.300 Hektar gehören der Stadt, der Rest dem Land, dem Bund und ist Privatbesitz.“

    Fichten verschwinden 
    Doch was macht der Klimawandel mit unserem Wald? Eines ist klar: Er muss kämpfen. Und wir mit ihm. Und für ihn. Immer mehr. Und dabei geht es nicht nur um Hitze und Trockenheit, sondern mitunter auch ordentlich Starkwind. Gerade Fichten, die mit ihren flachen Wurzeln keinen guten Halt haben und nicht genügend Wasser aus dem Waldboden saugen können, knicken dann reihenweise um. Max Wittlinger: „Früher galten die Fichten als Brotbäume. Denn ihr gutes Bauholz sicherte vielen Menschen ihr Einkommen.“ Die Zeiten sind vorbei, denn die Fichten verabschieden sich allmählich aus der Natur.       
    Wird es immer heißer, finden auch immer mehr Schädlinge ihren Weg in unsere heimischen Wälder, darunter auch der Japankäfer oder der asiatische Laubholzbockkäfer. Max Wittlinger: „Dann herrscht Alarmstufe Rot.“

    Es bleibt grün
    Doch wenn man einen Blick in die Zukunft wagt, dann sieht man auch weiterhin viel Grün mit immer mehr stabileren Laubhölzern. Dazu zählen unter anderem Ahorn, Linden, Hainbuchen, Elsbeere und Esskastanien, mit denen unsere Wälder seit den 1990er-Jahren aufgeforstet werden. Und auch der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ja ursprünglich aus der Forstwirtschaft. „Ein Wald wird dann nachhaltig genutzt, wenn nur so viel Holz geschlagen wird, wie auch nachwächst“, so erklärt der 59-jährige Dipl.-Forstingenieur, der schon als Jugendlicher ein Praktikum beim Ulmer Forstamt gemacht hat, die goldene Regel. In Ulm sind das 9.000 Kubikmeter pro Jahr. Darunter ist die Eiche die wertvollste der etwa 30 hier angesiedelten Baumarten. Ihre Hölzer lassen sich noch immer am wirtschaftlichsten für die Stadt vertreiben. Max Wittlinger und seine Behörde setzen alles daran, dass dies auch noch lange so bleiben wird und wir den Wald auch weiterhin genießen können – mit all unseren Sinnen.
                                                                                                                                         

    Manchmal braucht man einen starken Typ zum Anlehnen. Oberforstrat Max Wittlinger liebt die Mannigfaltigkeit des Ulmer Stadtwaldes.
    Foto: Stefan Loeffler
  • Weniger ist mehr

    Sie ist Pfarrerin, Jägerin, Ehefrau, Mutter – und Putzpatin. Stefanie Klitzner weiß, wie wichtig eine saubere Umwelt für uns alle ist. Deshalb packt sie an.
    Wenn es Stefanie Klitzner zu viel wird, schnappt sie sich Finne und Ginger. Und geht Gassi. Doch dann ärgert sich die Pfarrerin der evangelische Lukaskirche am Ulmer Eselsberg nicht über ihre Hunde, sondern quasi für sie. Wenn es Stefanie Klitzner zu viel wird, dann schnappt sie sich auch einen Eimer und eine Greifzange – und sammelt Müll. Die 48-Jährige ist Putzpatin der Entsorgungs-Betriebe der Stadt Ulm (EBU) und reinigt alle zwei Wochen die Grünflächen rund um ihren Wohnort am Unteren Hasenkopf. Mit dabei sind neben den beiden Fellnasen ab und an auch der kleine Sohn Henry. „Ich bin sowieso oft mit den Hunden und ihm unterwegs, dann kann ich auch gleich sauber machen“, so Stefanie Klitzner, die ihre Wut nutzt, um zu handeln. Und das macht sie gerne, denn die Geistliche ist trotz gelegentlichem Zorn über Verschmutzungen beileibe kein missmutiger, sondern ein lebensbejahender, anpackender Mensch, der sich der Bedeutung der Natur sehr bewusst ist: „Unachtsamkeit gegenüber der Umwelt können wir uns bald nicht mehr leisten.“

    Hilfe von Schulkindern
    Die Naturliebhaberin ist mit ihrer Meinung nicht allein, denn an die 400 Putzpaten sind bei der EBU registriert, die neben Säcken und Greifzangen engagierten Bürgern auch Schutzwesten zur Verfügung stellt und den eingesammelten Müll regelmäßig abholt: „Ich habe auch schon Nachbarn mit blauen Säcken gesehen.“ Wenn sie gesehen wird, sind die Reaktionen überwiegend positiv. „Manchmal denken die Leute sicher, dass ich Sozialarbeit leisten muss“, lacht sie: „Doch viele sagen auch Danke. Vor kurzem hat mich eine Gruppe Schulkinder entdeckt und spontan mitgeholfen.“
    Von ihr aufgesammelt werden vor allem Zigarettenschachteln, Kippen, Plastikverpackungen, Flaschen, Glasscherben und „wahnsinnig viele Kronkorken“. Bis der Eimer voll ist. Gemeldet hat sie auch schon mehrere Paar Ski, eine Motorhaube und alte Autoreifen, die sie natürlich nicht mitnehmen konnte. Und obwohl sich die Seelsorgerin sehr gerne im Freien aufhält, freut sie sich insgeheim auch so manches Mal über schlechtes Wetter. „Speziell am Waldrand merkt man, dass nach Regen weniger Müll herumliegt, weil weniger Menschen unterwegs waren.“
    Das hört sich zwar gut an, kann es aber irgendwie auch nicht sein. Deshalb freut sich Stefanie Klitzner, wenn immer mehr Menschen Verantwortung übernehmen und ihren Müll ordentlich entsorgen und nicht unachtsam fallen lassen. Denn sonst ist die Gefahr groß, dass es unserer Umwelt irgendwann einfach zu viel wird. 

     

    INFO:
    Wer die Ulmer Entsorgungsbetriebe ehrenamtlich mit einer Putzpatenschaft unterstützen möchte, ist jederzeit herzlich willkommen. Einfach melden unter putzpaten@ebu-ulm.de

    Müll auf den Grünflächen rund um ihr Wohnhaus ist für Stefanie Klitzner ein Dorn im Auge. Foto: Stefan Loeffler
  • Ein Weg voller Ideen

    Auf ihrem „Walk4future – REthink Fashion“ von Österreich nach Frankreich sammelt Martina Gleissenebner-Teskey Ideen, wie man die Modewelt dem Klima zuliebe zukünftig noch nachhaltiger gestalten kann. Auch in Ulm.  
    Martina Gleissenebner-Teskey ist auf dem Weg. Nach Paris. Wind und Wetter können sie dabei ebenso wenig aufhalten wie die insgesamt über 1.600 Kilometer Fußmarsch. Denn für die Ökologin, die vor zwei Jahren im Finale von Germany´s Next Top Model stand, ist der Weg sprichwörtlich das Ziel.
    Ihre Strecke ist quasi gepflastert mit innovativen Ideen und Begegnungen mit Menschen, die wie sie das gleiche Ansinnen haben: Mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in die Mode- und Textilwelt zu bringen.
    Gestartet hat die 52-Jährige ihre Wanderung durch drei Länder Mitte April in ihrer Heimatstadt Klosterneuburg bei Wien. Mitte Juni wird sie die Haute Couture Woche in der französischen Hauptstadt erreichen. Mit dem ehrgeizigen Projekt möchte sie auf bestehende Missstände wie Überproduktion aufmerksam machen und auch Lösungen finden, wie man die Branche und das Konsumverhalten maßgeblich verändern kann – im Sinne von Mensch und Natur. Deshalb ist das Gehen für sie in erster Linie eines: „Inspirierend.“

    Kühlende Textilien
    Mit ihrem Weg möchte sie den Menschen Mut machen, kreativ zu sein und voller Fantasie: „Obwohl ich bei diesem Projekt auf der Suche nach Lösungen bin, war ich schon gut vorbereitet und lasse mich nun von den Details überraschen“, so Martina Gleissenebner-Teskey, die auch die Ulmer pervormance international GmbH besuchte, die vom unw-Mitglied Gabriele Renner und Sabine Stein geführt wird: „Beim Design der nachhaltig produzierten Kühltextilien schlägt nicht nur mein Modelherz höher, weil sie so schön anzusehen sind. Die Produkte sind extrem sinnvoll, weil man mit ihnen gut gegen die immer bedrohlicher werdende Hitze ankämpfen kann.“ Das Ulmer Unternehmen entwickelt, produziert und verkauft weltweit Technologien und Funktionstextilien zur Kühlung für den medizinischen Bereich, aber auch zum Schutz von Arbeitern an heißen Produktionsstätten, bei Feuerwehren oder für alle Menschen, die bei hohen Temperaturen im Freien arbeiten, ihre Freizeit verbringen oder Sport treiben.  

    Positiv denken
    Ob Wärme oder Kälte, Martina Gleissenebner-Teskey startet jeden Morgen voller Zuversicht: „Zugegeben: 40 Kilometer am Tag mit dem Rucksack ist das Maximum. Doch wenn ich mir im Vorfeld zu viele Gedanken über mögliche Probleme mache, dann treten sie auch auf.“
    Neben den Gedanken beim Wandern und den Eindrücken am Wegesrand kreisen natürlich stetig die Dinge rund um eine nachhaltige Textilwirtschaft im Kopf herum. Deshalb ist es Martina Gleissenebner-Teskey wichtig, dass sie die vorgestellten Produkte und Ideen auch emotional auf sich wirken lässt: „Wenn ich eine Brücke bauen möchte, muss ich die Emotionen ebenso spüren wie die Menschen, die ich mit meinem Projekt erreichen möchte.“
    Schnell wurde ihr nach den bisherigen Besuchen unter anderem in Rosenheim, München und Augsburg klar: „Um wirkliche Lösungen zu kreieren, müssen wir raus aus unseren vier Wänden und uns für die Arbeit der Anderen interessieren.“ Und das ist wohl ihre wichtigste Botschaft. Und dafür ist ihr kein Weg zu weit.    

    Die GNTM-Finalistin Martina Gleissenebner-Teskey (links) besuchte auf ihrem Walk4future auch das unw-Mitglied Gabriele Renner.
  • Rote Bete, Blattsalat…

    … Lauch und Kartoffeln. Wenn Lucia Breckerbohm früh morgens ihre Garage öffnet, ist das frische Gemüse für den Tag bereits da.
    René Schimming kommt morgens um vier Uhr vorbei. Der Landwirt betreibt am Bioland-zertifizierten Hofgut Neubronn, das im Ulmer Winkel zwischen Holzheim und Holzschwang liegt, die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) Donau-Iller. Die Idee dahinter: Mehrere Anteilsnehmer tragen gemeinsam mit dem regionalen Gemüseanbauer das unternehmerische Risiko. Dafür wird die saisonale Ernte wöchentlich untereinander aufgeteilt. Der zu zahlende Betrag wird einmal im Jahr in einer Bieterrunde festgelegt, je nachdem was jeder zahlen möchte oder kann. Auf diese Weise ermöglicht die SoLaWi den beteiligten Menschen, die auch auf dem Feld mitarbeiten, wertvolle Erkenntnisse aus dem Bereich der ökologischen Landwirtschaft.    

    Gelebte Solidarität
    Auch Lucia Breckerbohm ist mit ihrer Familie Teil dieser engagierten Initiative und unterstützt am Kuhberg mit einem Gemüsedepot den Direktvertrieb. Denn in ihrer Garage können zu vereinbarten Öffnungszeiten die gelieferten Produkte gewogen und abgeholt werden. Die Ärztin ist seit Gründung der SoLaWi dabei und schätzt neben dem Erhalt der Artenvielfalt, dem Naturschutz, dem sozialen Miteinander und der gelebten Solidarität auch die Planungssicherheit. Denn bezahlt wird Monat für Monat der gleiche Betrag, ganz unabhängig von Preissteigerungen. Und die Frische der Produkte ist auch garantiert. 

    Neue Depots gesucht  
    Die SoLaWi Donau-Iller ist auf der Suche nach einem oder mehreren weiteren Gemüsedepots in Ulm, die vor Nagetieren geschützt sind. Im Winter sollten sie frostsicher sein, im Sommer sollte es nicht zu warm werden. Zudem sollten die Depots möglichst in der Nacht zugänglich sein, weil dann die Auslieferung des Gemüses erfolgt. Die Transportkisten müssen eine Woche gelagert werden können, weil das Leergut bis zur neuen Lieferung im Depot verbleibt.
    Wer diese solidarische Initiative gerne mit einem geeigneten Raum unterstützen und/oder womöglich selbst Mitglied werden möchten, kann sich gerne melden unter  koordination@solawi-donau-iller.de.

    Lucia Breckerbohm stellt einen Teil ihrer Garage am Kuhberg als Gemüsedepot der SoLaWi Donau-Iller zur Verfügung.
    Foto: Stefan Loeffler
  • Bewegende Momente

    Man hört es nicht und sieht es kaum. Wenn Merlin Mößle beim Studieren in die Pedale eines Mini-Heimtrainers tritt, fühlt sich in der Bibliothek der Hochschule Neu-Ulm (HNU) niemand gestört. ‒ Wie? Sport im Lesesaal?
    Es hört sich vielleicht zuerst etwas ungewöhnlich an, macht jedoch durchaus Sinn. „Langes Sitzen beim Lernen wird durch Bewegung viel einfacher“, so der 24-Jährige, der in Neu-Ulm seinen Master im Fach „Communication & Design for Sustainability“ macht.
    Er freut sich über die Chance auch während der Studienzeit am Campus etwas für seinen Körper zu tun, Muskeln und Kreislauf in Schwung zu halten. Durch das Treten auf einem Deskcycle wird das Herz-Kreislaufsystem aktiviert, die Sauerstoffsättigung im Blut wird erhöht und das hilft wiederum beim Denken. Im Sinne der Nachhaltigkeit kann man dadurch langfristig widerstandsfähiger und wacher bleiben.
    Auch Projektleiter Christoph Giebeler, an der HNU für alle sozialen und kulturellen Aspekte der Nachhaltigkeit zuständig, weiß, dass Bewegung Konzentration und Motivation steigert:
    „Es ist fast egal, wie lange man aktiv ist, jede noch so kurze Einheit wirkt sich positiv auf Körper und Geist aus. Jeder Schritt tut ganz einfach gut. Gerade bei intensiven Lernphasen wie zum Beispiel vor Prüfungen darf man dies nicht unterschätzen.“

    Auf sich selbst achten
    Ein flüsterleises Deskbike, zwei Deskcycles, zwei Stepper sowie fünf ergonomische Sitzhocker: Seit Mitte des Jahres gibt es die bewegungsfördernden Geräte in der Bibliothek der HNU, finanziert vom Förderverein der Hochschule Neu-Ulm e.V.. Das Angebot ist Teil des Studentischen Gesundheitsmanagement (SGM), das von Vizepräsidentin Prof. Dr. Julia Kormann ins Leben gerufen wurde: „Als Business School haben wir nicht nur die Aufgabe, unseren Studierenden Fach- und Methodenwissen zu vermitteln, wir möchten sie auch mit der Fähigkeit ausstatten, auf ihre Gesundheit zu achten“.  

    Mit gutem Beispiel voran
    Dieser Ansatz findet bundesweit Beachtung. Denn seit Beginn des Jahres trägt das SGM beim aktuellen Corporate Health Award den „Exzellenz-Status“. Evaluiert werden Struktur, Strategie und das Leistungsangebot. Hier liegt die Hochschule mit 91 Prozent deutlich über dem Schnitt anderer Hochschulen. 100 Prozent erreichte die HNU bei den Punkten Psychische Gesundheit und Study-Life-Balance. Die bedarfsbezogenen Angebote reichen von Sport- und Bewegungskursen, über Angebote für die mentale Gesundheit bis hin zu Seminaren zu Themen wie Stress-Prophylaxe, Resilienz und Zeitmanagement.
    Von dem bewegungsfördernden Mobiliar profitieren übrigens nicht nur die Studierenden. Alle Beschäftigten der Hochschule Neu-Ulm können sich die handlichen Fitnessgeräte bei Bedarf ausleihen und während der Arbeit ausdauernd in die Pedale treten.

    Der 24-jährige Merlin Mößle hält sich an der Hochschule Neu-Ulm mit einem Mini-Heimtrainer fit.
    Foto: Stefan Loeffler
  • Blumen aus Kaffeekapseln

    Sie verwandelt Gebrauchsgegenstände in kleine, aber feine Kunstwerke. Für Renate Dreiheller aus Gögglingen macht das Sinn: „Viele Dinge sind viele zu schade, um gedankenlos im Müll zu landen.“
    Ulm. Der Rock ist aus einer kaputten Jeans, einer ausrangierten Jacke und einem Stück Vorhang geschneidert. In einer alten Schublade bilden ausrangierte Kalender-Spiraldrahtbindungen und Blumen aus Kaffeekapseln den „Einweg-Wald“ und daneben erwächst ein Wunderbaum aus abgelegten Ohrringen, Broschen und Anstecknadeln. Und die Schnecke aus alten Schrauben, die über die Wand „kriecht“, frisst garantiert keine Gartenkräuter mehr an. Und gibt es eigentlich Vorhänge aus altem Kaugummipapier? Ja, gibt es. In der Traumwerkstatt24.  

    Wer diese, beziehungsweise das Wohnzimmer von Renate Dreiheller, betritt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Viele Gäste sagen, dass das hier wie in einem Museum ist“, so die 55-Jährige. Das Wort bedeutet in der altgriechischen Sprache Heiligtum der Musen. Und diese küssen die Medizinisch-technische Assistentin sehr oft – und dies ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Denn fast alle der verwendeten Gegenstände bekommen durch die Mutter zweier Kinder ein neues Leben eingehaucht. Ein Kunstleben. Denn Dinge vorschnell entsorgen, das kann und will sie einfach nicht. Schließlich kann man viele Sachen ja auch noch reparieren. Renate Dreiheller: „Ich bin eine absolute Gegnerin der modernen Wegwerfgesellschaft. “

    Noch viele Ideen im Kopf
    Und so vermischt sie geschickt die umweltbewusste Idee des Upcyclings mit einer schier grenzenlosen Fantasie. So landete ein zerbrochener Spiegel nicht in der Tonne, sondern hat sich als Bild „Tanz auf dem Vulkan“ einen neuen Platz an der Wand ergattert. „Meine Eltern haben die entbehrungsreiche Kriegszeit erlebt und uns Kinder so erzogen, dass wir Dinge wertschätzen“, so Renate Dreiheller, die fünf Geschwister hat und ihre Kreativität von ihrem Vater geerbt hat: „Er hat sogar unsere Möbel selbst gebaut.“
    Und das tut sie auch, denn im hier im Raum steht auch ein Stuhl, den sie aus einem Klapptisch, Teilen eines Wandregals und eines Bettes hergestellt hat. Doch wer mit der Hobby-Künstlerin, die auch Workshops zur Schmuck-Herstellung anbietet, spricht, zweifelt sehr schnell, ob sie darauf jemals für längere Zeit zur Ruhe kommt. Schließlich hat sie „noch ganz viele Ideen im Kopf.“
    Wer also immer wieder einmal ins Wohnzimmer von Renate Dreiheller kommt, wird wohl öfters auch Neues entdecken. So wie zum Beispiel die Blumen, die sie aus alten Socken hat erblühen lassen. Dafür wurden sie in flüssigen Beton getaucht, zu kleinen Röschen geformt und mit Glitzerfarbe besprüht. Oder die Friedenstaube, die aus weißen Tetrapack-Deckeln gestaltet über eine helle Plakatrückwand „fliegt“. Der Name: „Weis(s)heit. Doch weshalb ist der Titel auch mit einem „s“ geschrieben? Renate Dreiheller: „Ganz einfach. Weil es ganz sicher weise ist, keine Kriege zu führen. Oder?“
    www.traumwerkstatt24.de

    Renate Dreiheller mit ihrem selbstgebauten Stuhl.
    Der „Einweg-Wald“ erwächst aus Spiraldrahtbindungen und Blumen aus Kaffeekapseln.
  • Auf dem Weg zur Klimaneutralität

    Das Textilunternehmen Gebr. Otto nutzt die Kraft der Sonne. Eine neue Photovoltaik-Anlage produziert pro Jahr rund 930.000 Kilowattstunden Solarstrom.
    Dietenheim. Sie hat die Größe eines Fußballfeldes. Die neue Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Balzheimer Werkes der Gebr. Otto ist 4.565 Quadratmeter groß, umfasst 2.338 PV-Module und erreicht eine maximale Leistung von 950 kWp. Auf dieser Basis rechnet Otto-Geschäftsführer Andreas Merkel jährlich mit rund 930.000 kWh Solarstrom. Genügend, um rund 470 deutsche Durchschnittshaushalte (vierköpfige Familie) ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Den gesamten Strombedarf der Spinnerei kann die Anlage indes – noch – nicht decken, denn das Spinnen gehört zu den besonders energieintensiven Schritten in der textilen Kette. Dies ist einer der Gründe, weshalb dieser Prozessschritt in Deutschland kaum noch zu finden und nach Pakistan, Indien und China verlagert wurde. Betrieben werden die Anlagen dort oft mit Strom aus fossilen Energien und entsprechendem CO2-Fußabdruck.  

    Gebr. Otto, eine der letzten verbliebenen Baumwollspinnereien in Deutschland, darf dank seiner Investition auf dem Balzheimer Spinnerei-Dach 436,5 Tonnen CO2 jährlich aus seiner CO2-Bilanz streichen. „Die Inbetriebnahme unserer Photovoltaik-Anlage ist ein wichtiger Meilenstein in unserer Nachhaltigkeitsstrategie, die ein zentrales Element unserer Unternehmensphilosophie darstellt“, so der Geschäftsführer.
    Auf Wasserkraft setzt der europaweit führende Anbieter von textilen Lösungen schon seit seiner Gründung im Jahr 1901. In Summe deckt der familiengeführte Betrieb bereits einen beachtlichen Teil seines Strombedarfs aus regenerativen Energiequellen. Weitere Solaranlagen sind in Planung. Andreas Merkel: „Unser Ziel ist es, bis 2035 klimaneutral zu sein und damit unseren Kunden ein weiteres Differenzierungsmerkmal zu bieten.“

    Die neue Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Dietenheimer Gebr. Otto, eine der letzten verbliebenen Baumwollspinnereien in Deutschland.