Im freien Fall

Prof. Dr. Niko Paech sprach im Rahmen des Agenda Forums darüber, wie die gesellschaftliche Transformation im Rahmen der Postwachstumsökonomie gelingen kann.
Im voll besetzten Studio des Ulmer Roxy stellte der Ökonom unter dem Titel „Wohlstand neu denken: Unsere Gesellschaft im Zeichen der Transformation“ die von ihm begründete Postwachstumsökonomie vor. Ein Konzept, das ein radikales Umdenken fordert, um bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen zu hinterfragen und neue, nachhaltige Lösungen zu finden. Der Ulmer Baubürgermeister Tin von Winning hieß die etwa 200 Gäste an dem von der lokalen agenda ulm organisierten Abend mit den Worten willkommen: „Die Veränderungen kommen mit großer Kraft und wir müssen uns nun dringend damit auseinandersetzen.“  Daran ließ auch Dr. Niko Paech, der an der Universität in Siegen lehrt und forscht, nicht den geringsten Zweifel: „Unsere Gesellschaft befindet sich im freien Fall.“ Er ist sicher, dass eine Industriegesellschaft mit erneuerbaren Energien allein nicht aufrechterhalten werden kann, auch die Kreislaufwirtschaft könne daran nichts ändern.
Für Niko Paech bedeutet eine nachhaltige Entwicklung globale Gerechtigkeit innerhalb ökologischer Grenzen: „Nicht die Idee des Umweltbewusstseins scheitert an der ökologischen Frage, sondern das moderne Zeitalter.“

Befreiung von Überfluss

Welche Lösungen bietet die Postwachstumsökonomie an? Eine große Rolle in dieser Wirtschaftsform spiele bei der Transformation zum Beispiel die Suffizienz, die Befreiung von Überfluss: „Es geht um Reduktion und nicht um Verzicht. Ich möchte keine Rückabwicklung der Industrie, ich möchte eine andere Balance“, so Niko Paech. Für ihn bedeutet Suffizienz abzurüsten, um sich vor Überforderung zu schützen. Nur so könne der Konsum optimiert und auch über 20 Stundenwochen nachgedacht werden. Er setzt sich unter anderem für den Aufbau von solidarischen Garten- und Landwirtschaftsgemeinschaften ein, für Regionalläden, für die Unterstützung und Stärkung lokaler Initiativen sowie für großangelegte Ressourcen- und Reparaturzentren, in denen generationsübergreifende Workshops und Weiterbildungen stattfinden. Durch Foodsharing könne man große Mengen an Obst und Gemüse retten, denn die Hälfte der Nahrungsmittelproduktion, so Paech, werde zu Abfall. Seine Vision: „Man baut selbst an und kauft weniger, man vernetzt sich, hilft sich gegenseitig und wirkt dazu bei, dass wir weniger produzieren müssen ohne zu verarmen.“
Dr. Niko Paech hat in seinem Vortrag viele radikal wirkende Anstöße gegeben, über die es sich jedoch auf jeden Fall lohnt nachzudenken. Am besten Fall in aller Ruhe. Andererseits bleibt dazu auch nicht mehr viel Zeit.
                                                                                                                                   Stefan Loeffler